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Setting meistern (1/4)

Setting

Im ersten Teil der Artikelreihe “Setting meistern” erfährst du mehr zu folgenden Fragen: Was genau ist ein Setting und warum ist seine Beschreibung so wichtig? Wie lässt du das Setting lebendig werden? Und was kannst du tun, um Missverständnisse zu vermeiden?

Jede Geschichte hat ihren Ort und ihre Zeit

Im Wesentlichen ist eine Szenerie bzw. ein Setting die Kombination aus Ort, Zeit und Situation, in der deine Geschichte handelt. Dabei kann dieses Setting exotisch oder banal sein. Auf einem realen Ort basieren oder frei erfunden sein. Wichtig ist: Geschichten existieren nicht außerhalb eines Settings.

Das Setting formt die Geschichte mit. Das ist auch so, wenn du dir das Setting gar nicht bewusst ausgesucht hast.

Kindheitserinnerungen und Träume

Versuche dich an ein Erlebnis aus deiner Kindheit zu erinnern oder an einen besonderen Traum. An welchem Ort warst du? Wie alt warst du? Wer war außer dir da?

Damit Außenstehende deine Erinnerung oder deinen Traum nacherleben können, brauchen sie sehr viel mehr Informationen als den bloßen Ablauf der Geschehnisse. Sie brauchen ein Gespür für den Ort, die Zeit, die Menschen, die Gerüche, die Musik. Um dein Setting zum Leben zu erwecken, beschreibe es möglichst bunt und treffend.

Beispiel: D.H. Lawrence

Besonders gelungen ist das Setting in der Erzählung “The Odor of Chrsanthemums” (1909) von D.H. Lawrence. Die Geschichte handelt von einer Frau der Arbeiterklasse, die auf schlechte Nachrichten wartet. Die Erzählung zeigt auch, dass das Setting kein menschenleerer Ort ist. Neben den Hauptfiguren wohnen dort auch andere Menschen. Das Setting ist das Umfeld, in dem deine Figur lebt, von dem sie beeinflusst wird – und in dem sie gewissermaßen auch gefangen ist. Sie muss mit den Gegebenheiten dort interagieren. Das Setting ist damit die Leinwand, auf der deine Geschichte entsteht.

Figuren durch Zeit und Raum bewegen

Romane handeln von Figuren, die sich durch Zeit und Raum bewegen und sich dabei verändern. Umgekehrt heißt das aber auch, dass diese Figuren von dir durch Zeit und Raum bewegt werden müssen, damit sie sich verändern und an wichtigen Handlungen teilnehmen können. Das bedeutet, dass du viele Verbindungen zwischen einzelnen Szenen schreiben musst – denn Beamen ist außer auf Raumschiff Enterprise nicht möglich. Du bist dabei eine Art Puppenspieler. Die Puppe ist nicht einfach da, du musst sie zum richtigen Zeitpunkt auf die Bühne bewegen. Wenn die Szene fertig ist, kannst du die Puppe nicht einfach fallen lassen. Du musst sie von der Bühne wegbewegen.

Szenen vs. Zusammenfassungen

Um Figuren durch Raum und Zeit zu bewegen hast du zwei Möglichkeiten: Du kannst eine Szene schreiben oder eine Zusammenfassung.

Szenen sind die Bausteine von Erzählungen. Sie umfassen einen relativ kurzen Zeitraum (einige Minuten oder Stunden) und sind sehr detailliert. Szenen imitieren Echtzeit. Das heißt gewöhnlich vergeht für die Figuren ebenso viel Zeit wie für das Lesen der Szene benötigt wird. Damit sind Szenen das geeignete Mittel für wichtige Handlungen. Merke: Wenn du Aufmerksamkeit möchtest, mach eine Szene!

Zusammenfassungen verwendest du dagegen für Hintergrundinformationen, das Verstreichen der Zeit oder geschichtliche Ereignisse.

Als Autorin musst du also kontinuierlich entscheiden, was eine Szene wert ist und was zusammengefasst werden kann. In den Szenen stehen deine Figuren live auf der Bühne und die Leserinnen können sie direkt beobachten. In den Zusammenfassungen spulst du sozusagen vor und bewegst die Figuren im Schnelldurchlauf durch Zeit und Raum.

Wie die Lüge zur Wahrheit wird

Geschichten werden erst durch deine Beschreibungen lebendig. Sie sind das Handwerk, das du als Autorin erlernen musst. Gehe nie davon aus, dass deine Leserinnen schon wissen werden, was du meinst. Beschreibe auf der anderen Seite aber auch nicht das allgemein bekannte.

Quote by Benjamin Johncock on Description: Don't describe everything. We all know what stuff looks like.

Lasse in den Köpfen deiner Leserinnen ein Bild entstehen, das dem in deinem möglichst ähnlich sieht. Im Roman sind die Farben mit denen du dieses Bild malst, die Worte, die du benutzt. Fiktion und echtes Leben sollten sich dabei soweit nähern, dass die Fiktion echtes Leben sein könnte. In anderen Worten: Mache die Lüge zur Wahrheit. Beschreibungen sind dafür sehr wichtig. Eine Figur ist im Wesentlichen die Beschreibung einer erfundenen Person, der Plot beschreibt erfunden Geschehnissen und das Setting einen erfundenen Ort. Je besser dir die Beschreibungen gelingen, umso lebendiger und überzeugender wird dein Setting – und umso weniger Raum gibt es für Missverständnisse.

Bad novels […] don’t convince us that the lie they’re telling us is true.
The lie appears to us as what it is: a construction […].

Mario Vargas Llosa: Letters to a Young Novelist (Chapter: The Power of Persuasion)

Schreibpraxis

In der Schreibübung: Ein Moment in Slow Motion trainierst du das detaillierte Beschreiben. Viel Spaß dabei!

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Hier geht’s zu den anderen Teilen von “Setting meistern”:

Anmerkung

Die Inhalte dieses Blogartikels basieren auf den Materialien des Moduls “The Craft of Setting”, das Teil der Coursera-Spezialisierung “Kreatives Schreiben” ist. Dozentin des Moduls ist die Schriftstellerin Amity Gaige.

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